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Schwule im Fußball - Lehren für die Wirtschaft

Diversity Management ist auf dem Vormarsch. Ein Bekenntnis zu Vielfalt und Wertschätzung wird immer mehr gefordert und ist - zumindest als Lippenbekenntnis - in der Wirtschaft schon fast gang und gäbe. Doch es gibt sie noch: Tabus, über die man nicht spricht, Charakteristika, deren Offenlegung die Karriere kosten können - von persönlichen Anfeindungen ganz zu schweigen. Ein bekanntes Beispiel ist der Profifußball, in dem Homosexualität noch sehr weit davon entfernt ist, wertgeschätzt zu werden. Was können Wirtschaftsunternehmen davon lernen? Dr. Petra Köppel sprach mit Marcus Urban, der ein Buch über seine Erfahrungen als schwuler Fußballer geschrieben hat.

 

Ihr Buch heißt ‚Versteckspieler. Die Geschichte des schwulen Fußballers Marcus Urban‘. Welche Erfahrungen haben Sie damals im Fußball gemacht?

Schwule Sau, schwuler Pass, schwules Wetter - wenn ich das nicht jeden Tag, sondern NUR jeden dritten Tag gehört hätte, hätte ich trotzdem gedacht, völlig wertlos zu sein. Ich war in der Jugendfußballnationalmannschaft der DDR und spielte gegen spätere Stars wie Bernd Schneider, Thomas Linke oder Robert Enke, aber mit der Angst und dem Schmerz, sich 24 Stunden, rund um die Uhr, verstecken zu müssen. Ich kapierte gar nichts mehr und war am Ende ausgebrannt.

 

Hat sich die Situation inzwischen verändert?

Ich entschied mich gegen den Profifußball und damit für ein lebenswertes Leben. Ich berate heute unter anderem den DFB. In diesen Tagen bringen wir einen Handlungsleitfaden zum Umgang mit coming outs im Fußball zu Ende, der für die Führungskräfte, kurz und konkret, auf den Punkt kommt. Die Sportwelt tickt etwas anders als zum Beispiel Wirtschaftsunternehmen, Verwaltung oder Politik. Trotzdem ist vieles davon auch für andere Bereiche interessant. Ich bin heute in der glücklichen Lage, anderen weiterhelfen zu können - vielleicht genau wegen dieser besonderen Erfahrungen.

 

Was raten Sie, wenn im Sport, am Arbeitsplatz oder im sonstigen Miteinander Homophobie deutlich wird, z.B. über Schimpfworte wie ‚schwule Sau‘?

Dann antworte ich: Ein weibliches Schwein kann nicht schwul sein, höchstens lesbisch (lacht).

Meine Schritte: Cool bleiben - Entscheidung treffen: Ich werde aktiv - Mut haben - Vertrauensleute aufsuchen - Aussprechen - Strategisch vorgehen - Sowohl einen sachlichen als auch einen emotionalen Plan machen - Sicheren Rahmen finden - Klären - Sich am Erreichten freuen - Anderen Mut machen. Das nennt sich ‚Engelskreislauf’, das Gegenteil zum Teufelskreis.

 

In Unternehmen ist man sich immer noch nicht einig, ob sexuelle Orientierung überhaupt angesprochen werden sollte - ist doch schließlich Privatsache. Was halten Sie davon?

Wenn Sie mir von ihrem gestrigen Kinobesuch mit Ihrem Mann erzählen oder wenn Sie Ihren Ehering am Finger haben, berichten Sie mir über Ihre sexuelle Orientierung. Es ist eine große Täuschung, dass sie Privatsache sei. Wir kommunizieren ständig darüber. Ihre Vertuschung kostet uns Unmengen an Lebens- und Arbeitskraft. Dies bedeutet einen beachtlichen Ressourcenverlust.

 

Was empfehlen Sie, was man mithilfe von Diversity Management als nächstes angehen sollte?

Mindestens alle inneren Dimensionen müssen benannt werden, sonst verfehlt DiM aus meiner Sicht sein Ziel. Wenn ich als Schwuler nur über Homosexuelle sprechen würde, bliebe alles beim Alten. Aber ich baue Brücken zu den anderen wichtigen Dimensionen. Ich spreche über Weisheit oder das ‚Spontaneitätspotential’ von Kindern, über dazu gewonnene und einheimische Herkünfte, über Frauen- UND Männerrechte und -pflichten, über Religionskräfte und über das „Ach und Weh" des Körpers und des Geistes, über Behinderungen, die Talente hervorrufen - über alles in einem Atemzug. Es ist sehr einfach: sichtbar oder nicht sichtbar machen, sprechen oder nicht sprechen. Das NICHT bedeutet Kräfteverschleiß. Anerkennung wirkt Wunder.

Hier geht es zur Website von Marcus Urban.